Call for Papers: Stadt, Land – Schluss?

Die dgv-Kommission „Kulturanalyse des Ländlichen“ lädt zu Einreichungen für einen Workshop im September 2018 ein.

Der Workshop Stadt, Land – Schluss? Das Ländliche als Erkenntnisrahmen für Kulturanalysen wird von 13. bis 15. September 2018 an der Universität Regensburg und im Oberpfälzer Freilandmuseum Neusath-Perschen stattfinden.

Die Erforschung kultureller Veränderungen in ländlichen und peripheren Regionen erfährt innerhalb der Europäischen Ethnologie aktuell eine Konjunktur. Laufende DFG-Forschungsprojekte (z.B. Sutter 2017–2019) illustrieren das gewachsene Interesse an Kulturen in ländlichen Gegenden ebenso wie eine Reihe von Dissertations- und Habilitationsprojekten (z.B. Decker i.V. 2018, Dietzig-Schicht 2016, Sperling 2017, Trummer i.V. 2018 u.a.), Sammelbände (z.B. Fenske/Hemme 2015) oder Studienprojekte (z.B. Scholze-Irrlitz 2008; Bauer/Flor/Graf 2016). Ein stets aktuelles Thema bildeten Entwicklungsprozesse des Ländlichen daneben für die Freilichtmuseen und Landesstellen, die zu den aktivsten Institutionen im Bereich dieser Forschungsfelder zählen. 

Im akuten Interesse der Europäischen Ethnologie am Thema spiegeln sich die elementaren Transformationen wider, die ländliche Regionen unter den Bedingungen globaler Vernetzung und Ent-Sicherung der Lebensverhältnisse weltweit gegenwärtig durchlaufen. Die „Umstellungskrisen“ (Henkel 2004) der ländlichen Räume materialisieren sich dabei einerseits in einem Rückbau der öffentlichen Infrastruktur, Abwanderung und demographischem Wandel. Andererseits entstehen aber auch neue Handlungsmöglichkeiten, Identitäten und Machtverhältnisse. Eine umfassende Diversifizierung der ländlichen Räume und der kulturellen Bewertung des Ländlichen ist die Folge. Das „Ländliche“ wird als Analysekategorie innerhalb dieser beschleunigten Ausdifferenzierung diffus. Gegenüber den Städten scheint „das Land“ in seiner Heterogenität als eigenständiger Raum spezifischer kultureller Prägung zunehmend zu verschwinden. 

Gerade am Begriff des „Ländlichen“ – so wurde es auch auf der Gründungssitzung der dgv-Kommission „Kulturanalyse des Ländlichen“ deutlich –, offenbart sich ein grundsätzliches Unbehagen. Häufig als „Restkategorie“ (Henkel 2004) des Urbanen verhandelt, führt seine Verwendung zu terminologischen, methodischen und semantischen Unsicherheiten, die im Fach (z.B. Gerndt 1973, Schwedt 1974) früh identifiziert wurden. Dennoch illustriert nicht nur die aktuell außergewöhnlich dynamische mediale Aushandlung, dass sich im problematischen Begriff des „Ländlichen“ spezifische Qualitäten, Wertzuschreibungen, Atmosphären und Imaginationen verbergen, die über einen Begriff, wie „regional“ weit hinausgehen. Auch empirisch illustriert etwa schon das Wahlverhalten in ländlichen Räumen (Brexit, Trump, Erdogan…), aber auch eigenständige, geschichtlich wie landschaftlich geprägte Freizeitmuster, Geschlechterrollen oder Arbeitskulturen, ein Bündel spezifischer kultureller Qualitäten, die das Ländliche als eigenständige Kategorie gegenwärtiger Alltage hervortreten lassen – gerade auch im Bewusstsein der AkteurInnen selbst (Henkel 2004).

Doch welche begrifflichen, aber auch theoretischen und methodischen Möglichkeiten stehen der Europäischen Ethnologie offen, das „Ländliche“ als erkenntnisleitende Kategorie für die Erforschung der skizzierten Transformationsprozesse und ihrer dynamischen öffentlichen Aushandlung zu nutzen? 

Ziel des Workshops ist es, Terminologie und Epistemologie des „Ländlichen“ aus konkreten Forschungsprozessen heraus zu diskutieren. So sollen spezifisch europäisch-ethnologisch Perspektiven auf das Thema identifiziert werden, die es auf folgenden Arbeitstagungen weiter zu konkretisieren gilt. 
Wie lassen sich unterschiedliche Zugänge zu Themen ländlicher Transformationsprozesse und ländlicher Imaginationen begrifflich rahmen? Wie lässt sich das „Ländliche“ jenseits essentialisierender Modelle „ländlicher Kultur“ in seiner alltagsprägenden Spezifik fassen? Wie lässt sich das „Ländliche“ als Gegenstand räumlich, sozial und historisch rahmen, ohne überkommene Stadt-Land-Dichotomien neu zu bedienen? In welchen Feldern materialisiert sich das „Ländliche“ und wie lässt es sich beschreiben? Über welche Methodik erschließen sich „ländliche“ Sachverhalte in ihrer Komplexität? Wie gelingt angesichts der Heterogenität ländlicher Räume und Imaginationen die Balance der Perspektiven – zwischen kollektiv-überregionalen Rahmungen und individuell-lokalen Mikrostudien?

Die Vortragenden werden gebeten, nach Möglichkeit aus ihren laufenden Forschungsprojekten, ihrer musealen Arbeit oder ihrem kulturpolitischem Aufgabenspektrum heraus zu illustrieren, wie sie ihr Thema im Ländlichen verorten, wie sie es begrifflich rahmen, methodisch fassen oder es theoretisch modellieren. Welche besonderen Qualitäten kommt dem Ländlichen innerhalb des jeweiligen Erkenntnisrahmens zu?

Der Call richtet sich ausdrücklich auch an die VertreterInnen der Freilichtmuseen und Landesforschungsstellen. Zudem wird die Tagung versuchen, in Kontakt zu AkteurInnen in ländlichen Räumen (z.B. BürgermeisterInnen, HeimatpflegerInnen, LandwirtInnen) zu treten.


Zeitplan und Organisation
Ihre Abstracts im Umfang von maximal 3.000 Zeichen schicken Sie bitte zusammen mit Ihren Kontaktdaten und einem kurzen CV bis zum 15. März 2018 bitte an eine der folgenden Kontaktadressen: manuel.trummer@ur.de oder decker.anja@gmx.de       

Deadline für die Abstracts: 15. März 2018
Rückantwort: 15. April 2018
Programm: 15. Mai 2018

Eine anteilige Übernahme der Reisekosten der Vortragenden ist geplant.


Kontakt
Dr. Manuel Trummer (Regensburg)
manuel.trummer@ur.de

Anja Decker M.A. (Prag/München)
decker.anja@gmx.de