Vom Eingeschlossen sein?

Eine geschlechtergeschichtliche Perspektive häuslicher Altenbetreuung auf dem Land

Förderung

IGLR (Eigenprojekt)

 

Laufzeit

April 2017 bis Oktober 2018

 

Bearbeitung

Brigitte Semanek

 

Beschreibung

Betreuung und Pflege zu Hause ist gegenwärtig die häufigste Form der Versorgung von alten und kranken Menschen in Österreich. In aktuellen Diskussionen um Lebensqualität von Pflegenden und Gepflegten spielen Vorstellungen von (abnehmender) Leistungsfähigkeit, von weiblichem Mitgefühl, Familienzusammenhalt und vom Leben in den „eigenen vier Wänden“ eine bedeutende Rolle. Dass diese Konzepte selbst im Lauf der vergangenen Jahrzehnte historischen Veränderungen unterworfen waren, wird kaum thematisiert. Hingegen werden in öffentlichen Debatten wie in soziologischen Studien die Unterschiede zwischen Stadt und Land betont, was Wohnsituation, Verkehrsnetz und medizinische Versorgung betrifft. Wie diese sich im Alltag auswirkten, wurde in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts auch von technischen und sozialrechtlichen Entwicklungen mitbestimmt. All diese Aspekte werden mit Fokus auf die Mehrfachbelastung von Frauen im ländlichen Raum historisch untersucht. Dabei werden auch Tagebücher und auto/biografische Texte erschlossen, in denen pflegende Angehörige die dauernde Anwesenheit zu Hause und ihren (fehlenden) Anschluss an die Dorfgemeinschaft schilderten. Mit dem Projektfokus auf den Alltag in ländlichen Regionen seit den 1950er Jahren erhält Care-Arbeit eine differenziertere historische Perspektive. Erste Befunde aus Selbstzeugnissen pflegender Angehöriger auf dem Land deuten auf Betreuungssituationen jenseits einfacher Gegenüberstellungen von Pflegeheim und Zuhause und von Berufstätigkeit und „Arbeit aus Liebe“ hin. Das Projekt ist Teil des von Christa Hämmerle am Institut für Geschichte der Universität Wien betreuten Dissertationsvorhabens zu Selbstzeugnissen pflegender Angehöriger.