Dino Güldner: Agrargeschichte von unten. Bodenfruchtbarkeit und Nährstoffverfügbarkeit in der sozial-ökologischen Transition der Harrach'schen Domäne Bruck an der Leitha (1787-1938)

Rural History Forum 35

  • Wann 09.12.2015 von 13:00 bis 14:30 (CET / UTC100)
  • Wo St. Pölten, NÖ Landesarchiv, Seminarraum (Erdgeschoß)
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Im Zuge eines Dissertations-Projekts werden die Folgen agrarischer Modernisierung und Intensivierung für die nachhaltige Bewirtschaftung der Agrardomäne Bruck an der Leitha im Verlauf der letzten 250 Jahre erforscht. Der umwelthistorische und langfristige, sozial-ökologische Rahmen der Forschungsarbeit nimmt dabei die Transformation der Domäne von einer traditionellen Gutsherrschaft gegen Ende des 18. Jahrhunderts zu einem industriellen Agrarbetrieb zu Beginn des 20. Jahrhunderts aus biophysischer Perspektive in den Fokus.

Mit Hinsicht auf die materiellen Wirkungszusammenhänge wird dieser Transformationsprozess speziell durch einen Wandel im Umgang mit der Ressource Boden interessant. Die Basis bietet die Annahme, dass die Verfügbarkeit von Nährstoffen und der Erhalt der Bodenfruchtbarkeit nicht alleine die langfristige Bewirtschaftung von vorindustriellen Agrarökosystemen sicherstellten, sondern als die Triebfedern für die Intensivierung im Verlauf der frühneuzeitlichen Agrarrevolution und als die Grundvoraussetzung für den Aufstieg von frühindustriellen Anbausystemen beurteilt werden können.

Die empirische Erforschung des Themas stützt sich auf die Fragen, welche Hindernisse für Produktivitätsgewinne aus Sicht des Bodens gegeben waren, wie diese Schranken durch Optimierung von agrarökologischen Prozessen und technische Innovation überwunden werden konnten und welche unbeabsichtigten Folgen für die Agrarsysteme damit einhergingen.  Anhand sozial-ökologischer Modelle zur Bilanzierung von Stickstoff- und Phosphorflüssen soll den HöhrerInnen vermittelt werden, wie die Agrarrevolution des 18. Jahrhunderts den Druck auf bodenökologische Prozesse zur Steigerung der Produktivität erhöhte und dadurch den Abbau von Bodenressourcen induzierte. Wie sich dies zur Zeit der großen Agrarkrise im späten 19. Jahrhundert äußerte ist in weiterer Folge ebenso zu diskutieren wie die Frage, warum Marktintegration und Arbeitsteiligkeit der Landwirtschaft im Verlauf der Industrialisierung eine größere Wirkung zeigte, die europäischen Böden wieder international wettbewerbsfähig zu machen, als der Einsatz künstlicher Düngemittel.

Ziel ist es, dem Forum den Wert einer ökologisch-informierten Agrargeschichte zu vermitteln, Anreize für eine kritische Reflexion über bekannte Diskurse zur Agrarrevolution anzubieten und neue Denkprozesse über Agrarkrisen einzuleiten.

Die hier vorgestellte Arbeit entsteht im Rahmen des internationalen und interdisziplinären Forschungsprojekts „Sustainable Farm Systems: Long-Term Socio-Ecological Metabolism in Western Agriculture“ am Institut für Soziale Ökologie, Alpen-Adria Universität Klagenfurt.